
Deutscher Jugendliteraturpreis 2010 |
11.10.2010 |
Anspruchsvoll und unterhaltsam
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Mirjam Pressler und Bundesministerin Dr. Kristina Schröder © José Poblete |
Der einzige Staatspreis für Literatur in Deutschland wird jährlich für herausragende Kinder- und Jugendbücher vergeben und ist mit insgesamt 50.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung zählt mit über 1.000 Gästen aus dem In- und Ausland zu den größten Veranstaltungen auf der Frankfurter Buchmesse.
Begrüßung durch die Vorsitzende des AKJ e.V. Regina Pantos
Die Vorsitzende des Arbeitskreises für Jugendliteratur begrüßte die Gäste und Unterstützer der Veranstaltung, insbesondere die Stifterin des Preises und Schirmherrin der Aktion „Wer liest gewinnt“, die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau Dr. Kristina Schröder, den Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Herrn Prof. Gottfried Honnefelder, den Direktor der Buchmesse Frankfurt, Herrn Jürgen Boos, Und Frau Silke Greifsmühlen von der Servicegesellschaft Das Telefonbuch, Sponsor der Aktion „Wer liest gewinnt“ und des Empfangs nach der Veranstaltung. Ein dickes Dankeschön ging an Shaun Tan für das wunderbare Plakat des Preises 2010. Es folgt die Begrüßungsansprache im Wortlaut.
Bei der Auswahl der Preisbücher galt „The same procedure as last year“: die neunköpfige Kritikerjury unter Vorsitz von Susanne Helene Becker und die sechs Leseclubs der Jugendjury haben wieder mehr als 500 Bücher unter die Lupe genommen um die besten fünf herauszufinden. Außerdem wird Ihnen die Vorsitzende der Sonderpreisjury, Dr. Roswitha Budeus-Budde, verraten, wer den Sonderpreis für sein Lebenswerk als Autorin oder Autor bekommt. Allen Juroren herzlichen Dank für ihre engagierte ehrenamtliche Arbeit! Ich freue mich sehr, dass wieder viele der nominierten Künstler mit Unterstützung ihrer Verlage heute anwesend sind. Dank auch an sie.
Im letzten Jahr stand das Wort „Wirtschaftskrise“ über der Buchmesse. Das Gastland China zeigte uns mit dem entsprechenden Schriftzeichen für Krise die beiden Aspekte: „Gefahr“ und „Chance“. Die Kinder- und Jugendliteratur hat auf Chance gesetzt und gewonnen. Sie konnte ihren Anteil am Umsatz der Buchbranche vergrößern, ist mit 33% aller Lizenzen Spitzenreiter und stellte 8 von 25 Bestsellern des Jahres 2009. Sie hat sich vorgearbeitet auf Platz 2 hinter der Belletristik. Ihr einen angemessenen Platz zu geben, ist ein wesentliches Anliegen des AKJ.
Auch hier sind wir wichtige Schritte weiter gekommen. Nicht nur dadurch, dass diese Veranstaltung jedes Jahr mehr Besucher anzieht, sondern auch durch die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Literaturfonds bei der Vergabe der Kranichsteiner Jugendbuch Stipendien für zwei deutschsprachige Nachwuchsautoren und durch die Zusammenarbeit mit der Robert-Bosch-Stiftung, mit der wir in diesem Jahr die erste internationale Werkstatt speziell für Übersetzer deutschsprachiger Kinder- und Jugendliteratur durchgeführt haben. Dass es sich bei den Büchern des Deutschen Jugendliteraturpreises nicht um Eintagsfliegen handelt, sondern um Schätze, die man hin und wieder aus der Truhe holen sollte, zeigt die neue Edition „Deutscher Jugendliteraturpreis“, die in Zusammenarbeit von AKJ und Süddeutscher Zeitung gerade erschienen ist. Und ich wünsche mir, dass die Fachpresse und das Feuilleton weiter mit uns an diesem Strang ziehen.
Die Kinder- und Jugendliteratur ist jedoch nicht nur ein Wirtschafts-, sondern auch ein Kultur- und Bildungsgut. Unter diesem Aspekt sehe ich die Zeichen leider nicht auf Chance, sondern auf Gefahr stehen. Nach einer Forsa Umfrage unseres Mitgliedes Verband Erziehung und Wissenschaft (VBE) vom September 2010 antworteten auf die Frage, ob von Bund und Ländern genügend Geld zur Verfügung gestellt wird, um Deutschland zur angestrebten Bildungsrepublik zu machen, 84% mit „nein“.
Bezogen auf die Kinder- und Jugendliteratur denke ich dabei an die Tatsache, dass eine Bibliothek mit angemessenem Bestand und Personal immer noch nicht zur Standardausstattung unserer Kindergärten und Schulen gehört. Ein Mangel, den Lehrer und Eltern seit Jahrzehnten beklagen. Zugang zu Büchern für Kinder ist jedoch Teil des Menschenrechts auf Bildung, die bei uns vorwiegend in Kindergärten und Schulen stattfindet. Wenn es brennt, rufen wir die Feuerwehr, aber manchmal dauert es lange, bis sie kommt. Bis sie da ist, löschen wir selber und retten was zu retten ist. Darum meine Bitte, werden Sie nicht nur Lesepaten, sondern auch Buchpaten, verschenken Sie Bücherpakete und legen Sie so den Grundstein für Bibliotheken in Kindergärten und Schulen. Welche Bücher im Paket sein könnten, dafür geben Ihnen vielleicht die Preisbücher des Deutschen Jugendliteraturpreises 2010 gute Hinweise.
Sonderpreis für Mirjam Pressler
Der mit 10.000 Euro dotierte Sonderpreis für das Autoren-Gesamtwerk ging an Mirjam Pressler. Bereits 1994 wurde ihr der Sonderpreis Übersetzung zugesprochen. Damit ist die doppelt begabte Autorin und Übersetzerin die erste, die in unterschiedlichen Bereichen mit dieser hohen Auszeichnung geehrt wurde. Die Sonderpreisjury für das Autoren-Gesamtwerk begründet ihre Entscheidung wie folgt: „Mirjam Pressler profilierte sich bereits mit ihrem Debüt Bitterschokolade als wesentliche Stimme einer antiautoritären Jugendliteratur. Es folgten Romane, die heute zu den Klassikern zu zählen sind und deren ‚beschädigte Kindheiten‘ ihre Aktualität und Brisanz behalten haben. Mirjam Pressler nutzte Stoffe der Weltliteratur, um sich mit literarischen Mitteln für eine kulturelle Völkerverständigung einzusetzen und für religiöse Toleranz zu werben.“
Jurybegründung
Preisträger in der Sparte Bilderbuch
Die Kritikerjury vergab weitere vier Preise in Höhe von jeweils 8.000 Euro in den Kategorien Bilder-, Kinder-, Jugend- und Sachbuch. Den Preis für das beste Bilderbuch erhielten der Norweger Stian Hole und seine Übersetzerin Ina Kronenberger für Garmans Sommer (Hanser): „Der Illustrator verknüpft die Themen Zukunftsangst und Vergänglichkeit. Seine Montagen aus Fotos, Röntgenaufnahme, Zeichnung und Gemaltem geben eine skurrile, immer wieder zum genauen Hinschauen einladende Kulisse ab. Dieses sensible Buch animiert in der gelungenen Übersetzung von Ina Kronenberger Kinder nicht nur zum Philosophieren, sondern macht ihnen Mut, sich ihrer Ängste bewusst zu sein.“
Jurybegründung
Stian Hole
Garmans Sommer
Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger
Carl Hanser Verlag
ISBN 978-3-446-23314-0
€ 14,90 (D), € 15,40 (A), sFr 26,90 UVP
Preisträger in der Sparte Kinderbuch
In der Sparte Kinderbuch zeichnete die Kritikerjury Jean Regnaud (Text), Émile Bravo (Illustration), Kai Wilksen (Übersetzung) und Michael Hau (Lettering) für Meine Mutter ist in Amerika und hat Buffalo Bill getroffen (Carlsen) aus: „Das an Deutungsspielräumen reiche Buch überzeugt in seiner Mischung von Text und Bild besonders auch da, wo Illustrationen in versiert gewählten Passagen den erzählten Text ersetzen. Die eigene literarische Sprache des Originals verstand Kai Wilksen sehr gut ins Deutsche zu übertragen. Diese reichhaltige Graphic Novel wird ihren Leser einige Zeit begleiten, um ihn immer wieder etwas Neues entdecken zu lassen.“
Jurybegründung
Jean Regnaud (Text)
Émile Bravo (Illustration)
Meine Mutter ist in Amerika und hat Buffalo Bill getroffen
Aus dem Französischen von Kai Wilksen
Lettering von Michael Hau
Carlsen Verlag
ISBN 978-3-551-77790-4
€ 17,90 (D), € 18,40 (A), sFr 32,90 UVP
Preisträgerin in der Sparte Jugendbuch
Siegerin in der Sparte Jugendbuch wurde die deutsche Illustratorin und Autorin Nadia Budde mit ihrer Graphic Novel Such dir was aus, aber beeil dich! (Fischer): „Der Frage nach dem Wesen der Kindheit geht Nadia Budde auf allen Sinneskanälen nach – es geht um Gerüche der Kindheit, Klänge, haptische Erlebnisse sowie visuelle Eindrücke und immer wieder um die sonderbaren Erwachsenen. Sie versteht es, den typischen Kindheitsblick auf die Geheimnisse der Erwachsenenwelt für den Leser anschaulich in Text und Bild zu bannen.“
Jurybegründung
Nadia Budde
Such dir was aus, aber beeil dich!
Kindheit in zehn Kapiteln
Fischer Schatzinsel
ISBN 978-3-596-80832-8
€ 12,95 (D), € 13,40 (A), sFr 23,90 UVP
Preisträger in der Sparte Sachbuch
Mit Mutige Menschen – Widerstand im Dritten Reich (Gabriel) konnte Christian Nürnberger überzeugen. Das prämierte Sachbuch „verbindet auf überzeugende Weise fundierte historische Informationen mit politischem Engagement auf sprachlich hohem Niveau. Es gelingt dem Autor, durch einen gekonnt schlichten, fast schon mündlichen Erzählduktus, eine Spannung aufzubauen, die vom ersten bis zum letzten Satz zu fesseln vermag. Die herausragende literarische Qualität zeigt sich in dem individuellen Zuschnitt der einzelnen Porträts. Das lässt die Lektüre dieses Sachbuchs nicht zuletzt auch zu einem ästhetischen Genuss werden.“
Jurybegründung
Christian Nürnberger
Mutige Menschen
Widerstand im Dritten Reich
Gabriel Verlag
ISBN 978-3-522-30166-4
€ 14,90 (D), € 15,40 (A), sFr 23,90 UVP
Preis der Jugendjury
Der Preis der Jugendjury, ebenfalls mit 8.000 Euro dotiert, ging an die Autorin Suzanne Collins und das Übersetzer-Duo Sylke Hachmeister und Peter Klöss für Die Tribute von Panem – Tödliche Spiele (Oetinger). Nach Meinung der jugendlichen Experten „schafft es der packend erzählte Roman, brandaktuelle Fragen im Kopf des Lesers zu entflammen: Wie abhängig bin ich in der Mediengesellschaft von meinem Bild in der Öffentlichkeit? Welche Auswirkungen werden die Medien auf unsere Zukunft haben?“
Jurybegründung
Suzanne Collins
Die Tribute von Panem
Tödliche Spiele
Aus dem Englischen von Sylke Hachmeister und Peter Klöss
Verlag Friedrich Oetinger
ISBN 978-3-7891-3218-6
€ 17,90 (D), € 18,40 (A), sFr 32,00 UVP
Kontakt:
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