Schülertext

13 Gedichte von jungen Poeten

11.03.2009

Die Jahressieger des Schülerwettbewerbs »lyrix«





Logo des Wettbewerbs
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© Deutschlandradio
Die Initiatoren des Schülerwettbewerbs »lyrix« können zufrieden auf das Jahr 2008 zurückblicken: In der ersten Wettbewerbsrunde sind mehr als 1200 Gedichte von Schülerinnen und Schülern aus allen Bundesländern eingereicht worden. Entsprechend schwierig gestaltete sich die Aufgabe der Jury, die im Januar 2009 die Jahresgewinner von »lyrix« auszuwählen hatte. Auf zwölf Jahresgewinner wollte man sich einigen, letztendlich konnten dreizehn Schülerinnen und Schüler die besten Wertungen der Juroren auf sich vereinigen und wurden zu einem Lyrik-Workshop mit den beiden Autoren Norbert Hummelt und Dirk von Petersdorff in das Literarische Colloquium Berlin eingeladen.

Nachfolgend veröffentlichen wir die Gedichte der Wettbewerbssieger:

philosophie
so traurig macht
es mich dass
ich sie niemals
werde betrachten können
die gesamte schönheit der sonne
denn
sie würde mich
blind machen
lieber gott
ist dies auch
bei dir
bedingung?

Autorin: Sophia Barthelmes aus Eckersdorf
13. Jahrgangsstufe, Markgräfin-Wilhelmine Gymnasium Bayreuth



Kinderworte
Leise Gedanken,
Zu schüchtern für den Augenblick,
schicken scheu die ersten Ranken,
An des Tages klares Licht.
In einem Kleid aus handgenähten Worten,
Suchen sie sich ungeschmückt,
den Weg zu des Ohres Pforten,
Für den Augenblick beglückt.
Junge Stimmen suchen sacht,
einen Menschen der sie hört,
Doch sie bleiben ohne Acht,
weil man sich an ihnen stört.
Jugendwahrheiten verblassen,
Niemand der sie an sich bindet,
Sterben auf dem Boden, still, verlassen,
bis sie später jemand findet.
Warum will sie niemand wissen,
weggewischt an jedem Orte
muss die Welt sie lange missen
niemand hört auf Kinderworte.

Autorin: Josefine Berkholz aus Berlin
8. Klasse, Jugendkunstschule Atrium



Kindheit
Kindheit ist, wie Süßes naschen,
Gummibärchen, Colaflaschen,
Toben schmeckt nach Quark-Nachtisch,
in die Schule geh'n nach Fisch.
Verstecken schmeckt nach Schokolade,
Blinde Kuh nach Marmelade,
Fernseh’n schmeckt nach Erdbeereis,
Pflichten nach Gemüsereis.
Spielzeug schmeckt nach Himbeersahne,
„Schlaf-schön-Küsse“ nach Banane,
Lachen schmeckt nach Obstsalat,
erwachsen werden - nach Spinat!

Autorin: Julia Frick aus Lambsheim
12. Jahrgangsstufe, Johann-Sebastian-Bach-Gymnasium



Lauch
Deine Augen, deine Lippen, dein Kinn,
Ich bin ganz weg und hin,
Ich verwechsel jeden Satz in jedem Wort,
Nein das war anders aber auch so was von der Sort,
Ich verbuchsel alle Wechselstaben,
Ach wie gern würd ich deine Liebe haben,
Ich weis nur nicht, liebst du mich auch?
Magst du auch so gerne Lauch?
Ich hab nämlich gehört:
ein Paar muss zusammen passen,
Man muss die selben Sachen hassen,
Dasselbe lieben muss man auch,
Und ich mag eben Lauch.

Autorin: Johanna Fugmann aus Memmelsdorf
6. Klasse, Dientzenhofer Gymnasium



Deutsch-Land
Schwarzrotgolden weht die Fahne
Himmel über Deutschland? blau
Wege aschig, ockerfarben
Alte Menschen, weiß und grau
Kleine Kinder? rosa Finger
Fahren durch den Lockenschopf
Helle Fasern, schwarze Strähnen
Lichtermeer auf deutschem Kopf
Blasse Haut ziert grüne Augen
Dunkle Iris, braungebrannt
Afrikanisch, völkerfarben
Reicht sich eine Welt die Hand
Helle Finger, beige Kuppen
Falten, tief, geschichtenreich
Bahnen sich den Pfad des Lebens
Durch Gesichter, dunkel, bleich
Land der Deutschen, deutsche Lande
Banner der Vielfältigkeit
Spannen unsre Landesgrenzen
Von Monotonie befreit
Laute voller Farbenfreude
Schwingen sich von Mund zu Mund
Malen uns Momentaufnahmen
Fotoalbum Deutschland? bunt.

Autorin: Judith Gerten, aus Pulheim
10. Klasse, Geschwister-Scholl-Gymnasium



Ins Kristall
Wie einen grauen Mantel
Leg ich mein Tagwerk ab
Im stillen Weltenwandel
Senkt sich die Nacht herab
Es regen sich die Träume
Geflüster steigt ins All
Und formt die engen Räume
Zu atmendem Kristall
Kristall'ne Zaubergründe -
Die Lande kristallin
Kristalldunst netzt die Winde
Die seicht durchs Nachtreich zieh'n
Durch schattenlose Wälder
Bedeckt mit klarem Schnee
Durch bunte Spiegelfelder
Bis in die weite See
Sich mit dem Mondlicht einend
Zieh'n Geisterschar'n umher
Und ihre Blicke scheinen
Aufs silberblaue Meer
Als wollten sie mich leiten
Entdecken sie sich mir
Durchströmen rasch die Weiten
Und bringen mich zu dir

Autor: Kai-Oliver Gutacker aus Niddatal
12. Jahrgangsstufe, Sankt Lioba Schule




Spielen und gespielt werden
Gib mir deine Hand
lass uns auf den Gräbern tanzen
wenn wir auch
die Blumen zu Dreck zertrampeln
die Toten in den kahlen Ästen der Bäume
empört die Finger heben
wenn auch in mir
die Wut der Ohnmacht schreit
das was ich liebte hier zu Staub zerfiel
beiße ich dich doch zärtlich in die Wange
ein Halt von nackter Haut inmitten der Willkür
eines Gottes dessen Marionetten wir sind
sein grausames Spiel spielt er mit uns
und wir, gutgläubigen Kindern gleich,
suchen verzweifelt den Sinn
in den Launen des Schicksals
basteln aus dem flüchtigen Material unserer
Gedankengänge Sinnmasken
ein verbitterter Maskenball von Marionetten
Doch mein Spiel soll ehrlich sein
wie nackte Haut
bloßgelegt die Adern des Herzens
verfolgt von euren starren Blicken
strömt doch das Blut meines
zerrissenen Herzens fort
wenn ich
einsam
tanze
ohne sinn
von Sinnen

Autorin: Theresa Pleitner aus Blaubeuren
12. Jahrgangsstufe, Evangelisches Seminar Kloster Blaubeuren



Mein Lied
Ich lege meinen Kopf
In ihren Schoß.
Vergesse mich,
falle ins Nichts,
gestoßen vom Brummen der Lampe.
In der Luft,
zittern ihre Worte nach.
Ich wiege mich
In Erinnerung.
Das Bild vor meinen Augen
vergilbt,
der Putz in ihrem Gesicht
bröckelt
Eine Zigarette für den Nichtraucher.
Die Raucherin sieht zu.
Kalter Qualm
Trägt Moral und Sehnsucht
An die Decke.
Leidenschaftlich huste ich mir
Die Leidenschaft aus der Lunge-
Oder war es Teer?
Im Radio spielen sie unser Lied.
Wie kitschig das doch ist.
Aber es weiß ja sonst niemand.
Unnötig es zu erwähnen,
vielleicht hört sie gar nicht zu,
vielleicht ist es ja auch nur
mein Lied
Meine Lippen an ihren.
Keine Regung mehr
In ihrem Gesicht
Oder in meinem Herzen
Sie sieht mich nicht mehr an
Ihre Lippen sind bleich
Ihr Schoß schon
Kalt.

Autor: Andreas Thamm aus Bamberg
12. Jahrgangsstufe, Dientzenhofer Gymnasium



Fernweh
Der Hafen liegt verlassen da
Boote, notdürftig vertäut, neigen ihr Deck In stummer
Verbeugung Gen Grund, senken entblößt die Masten
Nussschalen gleich, achtlos fallen Gelassen.
Die Ebbe zwang die Boote in die
Knie, griff gierig nach ihren
Körpern, lockte
Sie auf See.
Ermattete schließlich doch
Stumm liegen sie jetzt
In bewundernder
Geste.
Ruhelos ergriffen sitze
Ich am Kai, wäre
Gern mit geschwommen doch
Auch ich bin notdürftig vertäut.
In den Pfützen am Grund
Tummeln sich Krebse.

Autor: André Thyroff aus Heinersreuth
11. Jahrgangsstufe, Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasium Bayreuth



Salzwind und Andennebel
Ich bin das unaufhaltsame, nasskalte Grau,
das unter die Kleider dringt und in die Gemüter,
die sich nicht zur Wehr zu setzen wissen.
Ich bin der Dönergeruch in den U-Bahn-Schächten
und das Abendgold in den Hafenkränen
wo mich nach langer Reise
der Salzwind hin zurück trug.
Mit Eukalyptusduft
und Andennebel im Herzen
sah ich mich zum ersten Mal im Spiegel.
Mit Sommersprossen
und ungekämmten Haaren
und lächelte mir zu

Autor: Lou Zuckerus Hamburg
12. Jahrgangsstufe, Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium



Die »lyrix«-Jury 2008

In der Jury saßen neben den beiden Lyrikern Norbert Hummelt und Dirk von Petersdorff auch der Hauptabteilungsleiter Kultur des Deutschlandfunks, Dr. Matthias Sträßner, der Literaturkritiker Michael Braun, der Verleger Manfred Metzner (Das Wunderhorn) sowie Malte Blümke für den Deutschen Philologenverband.

»lyrix« geht weiter
Der »lyrix«-Wettbewerb wurde Anfang 2008 vom Deutschlandfunk, dem Deutschen Philologenverband und dem Verlag Das Wunderhorn initiiert. Schirmherrin ist die Bundesbildungsministerin, Dr. Annette Schavan. 2009 wird »lyrix« in einer zweiten Runde mit einem zusätzlichen Partner, der Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH), fortgeführt und richtet sich seitdem auch an Deutsch lernende Schüler an Partnerschulen im Ausland. Die in- und ausländischen Gewinner der zweiten Runde werden 2010 gemeinsam zu einem Workshop nach Berlin eingeladen.

Kontakt:
Christian Sülz
Deutschlandfunk / Deutschlandradio Kultur
Tel.: (0221) 345 2169
E-Mail: christian.suelz@dradio.de

Redaktionskontakt: schuster@dipf.de