Bericht

Lesen, Spielen, Lernen - Kinder und Zeitung

18.04.2008

Damit aus Kindern Leser werden


Titelbild der Broschüre
Titelbild der Broschüre "Lesen, Spielen, Lernen - Kinder und Zeitung"
Quelle: Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV)


Eine eigene Zeitung nur für Kinder, das wär’s. Darin waren sich die Ende Februar 2006 beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in Berlin zusammengekommenen Experten aus Wissenschaft und Verlagen einig.(1) Auf dem Weg dahin gäbe es aber auch so noch eine Menge zu verbessern, damit aus Kindern Leser werden, die ihre Nase gerne in Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften stecken, forderte damals Roswitha Budeus-Budde, Kulturredakteurin der „Süddeutschen Zeitung“ in München und dort zuständig für die Kinder-Literaturseite. Vor allem müsse viel mehr Geld als bisher in die vorschulische Erziehung gesteckt werden. So, wie es beispielsweise die Finnen vormachten. Hannelore Haufe, seit gut drei Jahrzehnten Leiterin einer Berliner Kindertagesstätte, wünschte sich, in Zukunft endlich selbst für die Einstellung ihrer Mitarbeiter verantwortlich zu sein und diese nicht von vorgesetzten Dienststellen zugewiesen zu erhalten. „Dann kann man auch ein gutes gemeinsames Programm für die Kinder erarbeiten.“
Die Zahl der Nichtleser wird größer, bedauerte Heinrich Kreibich, Leiter der Stiftung Lesen in Mainz. Und die Spirale des Nichtlesens beginne mit der mangelnden Dialogfähigkeit der Eltern. Gleichzeitig legten die Kinderbuchverlage bei ihren Verkäufen aber Jahr für Jahr zu, darauf wies Paul Maar, Kinderbuchautor und unter anderem Vater des „Sams“, hin. Sein Fazit, dass nämlich die Kinder, die sowieso lesen, offensichtlich immer mehr lesen, wird auch von der im Jahr 2005 veröffentlichten Studie des Börsenvereins „Buchkäufer und Leser“ gestützt.(2)
Mit dem Lesen können Kinder gar nicht früh genug anfangen, bestätigte Anna Katharina Braun, Professorin für Zoologie/Entwicklungsneurobiologie an der Universität Magdeburg. Denn Lernen löse im kindlichen Gehirn massive Veränderungen aus. In den ersten Jahren werde sozusagen die „Festplatte“ ausgebildet. „Damit müssen wir dann später ein ganzes Leben lang zurechtkommen.“

Zeitung und Schule
Wenn allerdings zuhause nicht gelesen wird und das familiäre Vorbild von Eltern oder größeren Geschwistern fehlt, kann die Lektüre in der Schule ein wichtiger Ersatz werden. Dies gilt gerade auch für den Umgang mit Zeitungen. In den USA wurden beispielsweise in einer 2004 für die Newspaper Association of America Foundation durchgeführten Studie 1.500 junge Leute im Alter zwischen 18 und 34 Jahren befragt, ob sie sich daran erinnern, während ihrer Schulzeit mit Zeitungen im Unterricht gearbeitet zu haben. Zentrales Ergebnis: 62 Prozent derjenigen, die in der Schule mit Zeitungen in Berührung gekommen waren, wurden später auch aktive Zeitungsleser. Von denen, die sich nicht an Zeitungsprojekte in der Schule erinnern konnten, waren es nur 38 Prozent.(3)
Medienpädagogische Schul- und Leseförderungsprojekte der Tagespresse, wie sie mittlerweile in Deutschland bereits im 28. Jahr angeboten werden, sind allerdings nur die eine Seite der Medaille. Mindestens ebenso wichtig sind individuelle redaktionelle Angebote für die junge Zielgruppe. Neben den Jugendlichen im „ersten Zeitungslesealter“ (14 bis 19 Jahre) rücken dabei Kinder immer stärker in den Fokus. Und dies keineswegs zum ersten Mal: „Das Kind wird ‚entdeckt‘“, formulierte etwa Gernot Facius bereits 1986 in der monatlich erscheinenden BDZV-Publikation „Die Zeitung“. Schon damals wies der Autor warnend auf sinkende Zeitungsreichweiten bei den Jugendlichen hin, mahnte bei den Medienmachern an, sich Gedanken über die „informationelle Selbstbestimmung für das Kind“ zu machen, und konstatierte: „Natürlich können Kinder Zeitung lesen. Vor allem dann, wenn diese für sie geschrieben sind.“

Erste Blüte in den 1980er Jahren
Tatsächlich gab es Mitte der 1980er Jahre offensichtlich eine Reihe von – zumindest in der Tendenz – tagesaktuell- politisch orientierten Zeitungsangeboten, die eigens für Kinder produziert wurden. So versuchten Dortmunder Journalistik-Studenten, mit dem „kleinen journal“ das Weltgeschehen begreifbar zu machen. In Essen bereitete die Kinderzeitung „EsPress“ die Zeitläufte für die jüngste Zielgruppe auf und schreckte auch vor Themen wie Tschernobyl, Waffenschiebereien oder dem (Ersten) Golfkrieg nicht zurück. Eine Schlagzeile von damals: „Streithähne am Golf: Der Iran schickt sogar Kinder in den Krieg“. Andere längst vom Markt verschwundene Titel hießen beispielsweise „Klick“, „Die Kinderpresse“ oder „Kinder- und Jugendzeitung“.
Dass es bis heute ausgerechnet in Deutschland jenseits der Kinderseiten der Zeitungen keine eigene Zeitungstradition für Kinder gibt, ist umso erstaunlicher, als hierzulande beim Thema Tagespresse im internationalen Vergleich lauter vordere Plätze belegt werden: Nach Auflage ist der deutsche Zeitungsmarkt der größte Europas und der fünftgrößte der Welt. Fast drei Viertel (73,7 Prozent) der Bevölkerung über 14 Jahre lesen regelmäßig eine Tageszeitung. Bei der Frage nach der Glaubwürdigkeit des Mediums rangieren Zeitungen neben dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und dem DeutschlandRadio an erster Stelle. Die Druckqualität ist hoch und wird ständig weiter verbessert.

Kinder als Konsumenten ernst nehmen
Als Grund für das Scheitern oder Gar-nicht-erst-Zustandekommen von Zeitungsprojekten für Kinder wird regelmäßig auch der Faktor fehlender Werbeeinnahmen ins Spiel gebracht. Kinder werden in der gedruckten Tagespresse als Konsumenten nicht wahrgenommen; selbst bei der Anzeigenakquise mit Blick auf die Zielgruppe der 14- bis 19-Jährigen tun sich die Anzeigenabteilungen der Verlage meist schwer, wie sich an den weitgehend werbefreien Jugendseiten der Zeitungen ablesen lässt. Markenartikler bevorzugen für ihre Produkte den Auftritt mit bundesweiter Verbreitung. Dabei wird leicht übersehen, dass nicht nur Jugendliche, sondern auch Kinder bereits über erhebliche Summen Geldes frei verfügen können. Laut der jüngsten KidsVerbraucherAnalyse besitzen die Sechs- bis 13-Jährigen in Deutschland durchschnittlich 1.006 Euro und konnten im Jahr 2006 1,44 Milliarden Euro an Taschengeld ausgeben.(4)
Ähnliche Verhältnisse herrschen offensichtlich in Großbritannien. Ernest Henry, Gründer und Verleger der Wirtschaftszeitung für Kinder „Oink!“ – vergleichbar dem deutschen „Qiek“ eines (Spar-) Schweinchens –, hat sie sich zunutze gemacht. „Children know about money“ (Kinder verstehen etwas vom Geld), lautet seine Devise. Henry setzt ganz auf Finanzthemen, auf den Umgang mit Geld und nicht zuletzt aufs Geldausgeben. Schwierige Begriffe und wesentliche ökonomische Zusammenhänge werden erklärt. Die Themen Inflation, Zinsen, Aktien und Wertpapiere kommen in dem grellbunt auf lachsrosafarbenem Papier gedruckten Monatsblatt ebenso vor wie Beiträge über Musik, Mode, Sicherheit in der Schule oder Werbung. Die zwölf Seiten starke Zeitung wird kostenlos an Schulen und anderen von Kindern aufgesuchten Orten verteilt. Bis zu 600.000 Kinder lesen sie derzeit; 3,2 Millionen sollen es einmal werden – wenn genügend Anzeigen hereinkommen. Denn „Oink!“, das es zu einer eigenen Radioshow brachte und Fernsehauftritte plant, finanziert sich ausschließlich über Werbung. Eine für Kinder womöglich ungute Vermischung von Redaktionellem und Werbebotschaft will der Verleger gleichwohl nicht erkennen. „Wir sind sehr stolz darauf, dass die ‚Bank of England’ regelmäßig bei uns inseriert“, sagt Henry.
Konkurrenz mag Henry mit der im Mai 2006 erstmals erschienenen Wochenzeitung „First News“ aus dem eigens gegründeten Verlag Newsbridge (London) erwachsen. Das von Piers Morgan verantwortete Blatt im Tabloid-Format soll Kinder im Alter von neun bis zwölf Jahren ansprechen, kostet ein Britisches Pfund (rund 1,50 Euro) im Abonnement und ist laut Morgan ausdrücklich dazu gedacht, neue Leser für die Zeitung heranzuziehen. Nurmehr im Internet ist hingegen seit März 2006 die „Funday Times“ zu lesen. Die Sonntagsausgabe der „Sunday Times“ für junge Leser wurde in der gedruckten Form nach gut 16 Jahren und weit über 800 Ausgaben eingestellt.

Zeitungsprodukte für Kinder
Seit ein, zwei Jahren wächst auch in Deutschland wieder das Interesse an individuellen Zeitungsprodukten für Kinder, sei es lokal/regional oder auch bundesweit. Als erster in den Ring stieg der türkische Verleger Turgay Yagan, der im Mai 2005 von Düsseldorf aus „Meine Zeitung“ auf den Markt brachte. Das optisch und inhaltlich bieder gemachte tägliche Blatt für Acht- bis 13-Jährige hatte zwölf Seiten und kostete 40 Cent im Einzelverkauf. Nach dem Willen seines Verlegers sollte es bis Jahresende 100.000 Abnehmer finden und deutschlandweit vertrieben werden, scheiterte jedoch schon binnen weniger Monate an fehlendem Kapital. Auch ein Umzug nach Hamburg und die Umwidmung in ein Wochenblatt konnten dem Projekt kein neues Leben mehr einhauchen.
Bereits 2005 hatte auch die Axel Springer AG, Berlin/Hamburg, mitgeteilt, über die Veröffentlichung einer Tageszeitung für Kinder nachzudenken. Aktuell produziert der Verband Deutscher Lokalzeitungen (VDL), Berlin, eine monatliche Beilage für Sechs- bis Zwölfjährige als Service für seine Mitglieder. Die 16- seitige „Kinder-Zeitung“ im Tabloid-Format wird seit Oktober 2006 gemeinsam mit einer Werbeagentur vermarktet. Interessierte Verlage erhalten jeweils die Daten, drucken müssen sie selbst. Dabei ist es auch möglich, eigene lokale Themen zu berücksichtigen. Dank Datenübertragung und Druck vor Ort braucht der VDL sich keine Gedanken über den Vertrieb des gedruckten Produkts quer durch Deutschland zu machen – ein Problem, dem sich ansonsten jeder Titel mit überregionalen Ambitionen gegenüber sähe. Wo keine eigene nationale Vertriebsorganisation vorhanden ist, müssten entweder Kooperationen mit regionalen Partnern geschlossen, der Weg über Einzelverkauf am Kiosk und Presse-Grosso gesucht oder die tägliche Kinderzeitung per Post an die Bezieher versandt werden.
Letzteres macht zum Beispiel das französische Unternehmen Play Bac Presse, Verlag der seit 1995 erfolgreichen Kinder- und Jugendtitel „Quoti“, „Le Petit Quotidien“, „Mon Quotidien“ und „L’actu“. Die vier bis acht Seiten starken Tageszeitungen im Tabloid-Format wenden sich altersbezogen an Fünf- bis 17-Jährige und begleiten im Idealfall die Kinder stufenweise von der Vorschule bis zum Baccalauréat.(5) Die Zeitungen kosten – je nach Titel – zwischen 6,90 Euro und 9,40 Euro im Monat. Zusammen haben „Quoti“, „Le Petit Quotidien“, „Mon Quotidien“ und „l’actu“ eine Auflage von rund 200.000 Exemplaren und werden jeweils dienstags bis samstags im Abonnement an die Adressen der jugendlichen Bezieher geschickt. Eins zu eins übertragbar wären die Verhältnisse etwa auf Deutschland allerdings nicht, denn der Versand von Zeitungen per Post wird in Frankreich noch stark subventioniert und kostet etwa ein Viertel der Gebühren, die ein deutscher Verlag für die Beförderung eines vergleichbaren Objekts aufwenden müsste.

Für Kinder aufbereitete Nachrichten
Aber auch lokal und regional hat sich in jüngerer Zeit etwas getan. Hier einige Beispiele: In der „Braunschweiger Zeitung“ erscheinen seit dem 1. Juni 2005 täglich für Kinder aufbereitete Nachrichten aus Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft. Bestandteil der „Kinder-Spalte“ auf der letzten Lokalseite ist immer auch eine lokale Meldung. Darüber hinaus können Kinder in der Rubrik „Meine Meinung“ ihre Ansicht zu verschiedenen Themen vertreten. Samstags wird statt der Spalte im Lokalteil eine ganze Kinderseite im Wochenendmagazin der „Braunschweiger Zeitung“ angeboten. Bei den überregionalen Kindernachrichten kooperiert die Zeitung mit GEOlino.de und tagesschau.de.
Bereits 2003 begann der „Südkurier“ in Konstanz damit, Tag für Tag eine Nachricht für Kinder abzudrucken. Sie ist regelmäßig auf der Seite „Leute! und Boulevard“ zu finden. Der Wiedererkennbarkeit und Leserbindung dient die ungewöhnliche Berichterstatterin, „Kalles Kuh“, die obendrein die Ereignisse aus einer häufig radikal subjektiven Perspektive schildert. Die gute Nachricht vom 30. August 2006 beispielsweise lautete: „Der Papst bringt einen Ferientag mit“. Seit kurzem hat Kalles Kuh auch einen eigenen Internetauftritt, auf den in den Artikeln nach Möglichkeit verwiesen wird.
Sogar täglich eine ganze Seite mit Nachrichten für Kinder bietet der „Hellweger Anzeiger“ (HA) in Unna seit dem 25. April 2006 an. Zielgruppe sind die Acht- bis Zwölfjährigen im Verbreitungsgebiet. Sie finden die wichtigsten Nachrichten aus aller Welt, aber auch aus ihrer Stadt immer auf der Schlussseite des ersten Zeitungsbuchs. Das Farbleitsystem des „HellwegerAnzeigers“ gilt auch für die jüngsten Leser: Der „gelbe Klecks“ (gelb für Lokales) beinhaltet von dienstags bis samstags Nachrichten aus Unna und Umgebung. Immer rechts auf der Seite finden die Kinder Nachrichten aus aller Welt. Für letztere arbeitet die „HA“-Redaktion mit dem „Logo!“-Team des ZDF zusammen. Montags wartet ein „grüner Klecks“ auf Lektüre – grün signalisiert Neues vom „Sport“. Der besondere Clou: Für Lehrer bietet der „HA“ einen täglichen Newsletter an: Wer möchte, erhält bereits am Abend die Themen der Ausgabe des nächsten Tages per E-Mail zugeschickt, um die Kinderseite in den Unterricht einbauen zu können.

IGLU: Kindern etwas zutrauen
Natürlich enthält auch die ganz normale Tageszeitung gedruckt oder online reichlich Lesestoff, der für Kinder im Grundschulalter verständlich und interessant sein kann, würden sie nur von Eltern, Geschwistern, Freunden oder Lehrern an die Lektüre entsprechend herangeführt. Leseförderungsprojekte der Zeitungen machen sich diesen Umstand im Schulunterricht erfolgreich zunutze. Hunderttausende Kinder und Jugendliche kommen so Jahr für Jahr in Kontakt mit „ihrer“ Zeitung. Grund für Berührungsängste selbst bei den Leseanfängern gibt es nicht. „Schon ab der zweiten Klasse kann ich Presseartikel im Schulunterricht empfehlen. Die Kinder können in diesem Alter Texte lesen, verstehen, darüber reden und sie reflektieren“, sagt etwa Professor Wilfried Bos, Leiter des Instituts für Schulentwicklungsforschung an der Universität Dortmund und wissenschaftlicher Leiter der „Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung“ (IGLU) in Deutschland. Der Professor rät eindringlich, Kinder weder zu unterschätzen noch zu unterfordern. Bereits in der Grundschule könnten sie beispielsweise mit literarischen und informativen Texten gleich gut umgehen. Ein weiteres Resultat des IGLU-Vergleichs mit Schülern aus 35 Nationen: Die deutschen Kinder schnitten Ende der vierten Klasse in den Bereichen Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften im oberen Leistungsdrittel ab - und damit sehr viel besser als bei einer Fortsetzung des Tests (PISA) in der neunten Klasse. „Die Grundschule ist bisher die beste schulische Bildungseinrichtung in Deutschland“, urteilt Bos.

Zeitung im Kindergarten
Folgt man Bos’ Einschätzung, können Zeitungen in der Arbeit mit Grundschulkindern eigentlich nur alles richtig machen. Denn Unterricht wird jetzt noch als neu und aufregend empfunden, das Lernen selbst nicht als mühselige tägliche Fron abgelehnt. Noch einen Schritt weiter geht seit zwei Jahren das Zeitungshaus Bauer in Marl (unter anderem „Recklinghäuser Zeitung“). Hier wird, angestoßen durch Verleger Kurt Bauer, in Zusammenarbeit mit einem medienpädagogischen Dienstleister das Projekt „Zeitungstreff Vorschulkinder“ angeboten.
Das Zeitungshaus offeriert eine ganze Palette von Leseförderungsprojekten für Kinder und Jugendliche in der Region, aber „mit keinem anderen Werbemittel erreichen wir die Eltern so gut. Je jünger die Kinder sind, umso mehr wird in den Elternhäusern kommuniziert und um so größer ist auch das Interesse an ihrer Bildung“, erläutert Elke Jansen, Ressortleiterin Wochenendjournal/Serviceseiten. Über drei Wochen wird den teilnehmenden Kindergärten im Verbreitungsgebiet der „Recklinghäuser Zeitung“ die originale Tageszeitung zum Basteln, Rätseln und spielerischen Entdecken unentgeltlich zugestellt. Das Gelingen des gesamten Projekts hängt sehr vom Engagement der Erzieher ab, macht Jansen deutlich. Denn „die Kinder sollen nicht mit erhobenem Zeigefinger an das Lesen und Sprechen herangeführt werden, sondern mit kreativen Übungen“. Erfreuliches Resultat für den Verlag: Bei der ersten Tranche, an der 1.200 Kinder beteiligt waren, entschieden sich im Anschluss 60 junge Familien für den Bezug eines Vollabonnements.
Tatsächlich gab es aufgrund privater Initiativen mindestens zwei weitere lokale Zeitungsprojekte in Kindergärten, und zwar im Verbreitungsgebiet der „Deister- und Weserzeitung“ in Hameln und der „Kölnischen Rundschau“. Im Herbst 2006 wurde sogar eine überregionale Zeitung unter Vorschülern aktiv: Die „Frankfurter Rundschau“ (FR) hat Kindertagesstätten im Rhein-Main-Gebiet erstmals ein dreiwöchiges Zeitungsprojekt zur Frühförderung angeboten – „Friki - Frankfurter Rundschau im Kindergarten“. „FR“-Geschäftsführer Sönke Reimers hofft, damit eine Marktlücke zu füllen. „Tageszeitungen haben Kinder nicht im Fokus“, sagte er anlässlich der Ankündigung des Projekts. „Wir sind überzeugt, dass unser Medium ein kindgerechtes sein kann, auf alle Fälle kindgerechter als die Power Rangers.“

Kurz: Mit der eigenen Tageszeitung für Kinder mag es nun klappen oder nicht. Deutlicher noch als bisher wenden sich viele Zeitungen der Zielgruppe Kinder im ersten Lesealter zu und kreieren allein oder im Verbund neue inhaltliche und pädagogische Angebote. Stärker als bei Jugendlichen, die ihren Schulalltag weitgehend autark organisieren, ergibt sich hier obendrein die Chance zum Kontakt mit den am Bildungsfortschritt ihrer Kinder interessierten Eltern.

Anmerkungen:
(1)
BDZV-Fachtag „Kinder und Zeitung“ am 21. und 22. Februar 2006 in Berlin.
(2) „Buchkäufer und Leser 2005 – Profile, Motive, Wünsche“, Studie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Konsumforschung und Sinus Sociovision.
(3) „Growing Lifelong Readers“, Studie von Clark, Martire & Bartolomeo, Inc. im Auftrag der Newspaper Association of America Foundation. In einer Fortschreibung der Studie („Lifelong Readers: The Role of Teen Content“) wurden im Jahr 2005 junge Erwachsene, die als Teenager im Verbreitungsgebiet einer Zeitung mit Jugendseiten/-inhalten aufgewachsen waren, nach ihren aktuellen Zeitungslesegewohnheiten befragt. Das Ergebnis: 75 Prozent derjenigen, die schon als Jugendliche die Jugendseiten in der Zeitung gelesen hatten, griffen auch als junge Erwachsene mindestens einmal pro Woche zur Tageszeitung; dagegen waren es von den an Jugendseiten nicht Interessierten nur 44 Prozent.
(4) KidsVerbraucherAnalyse 2006 der Egmont Ehapa Verlag GmbH vom 1. August 2006.
(5) Vgl. Pasquay, Anja: Auf der Suche nach den Lesern von morgen – Jugend und Zeitung, in: BDZV-Jahrbuch „Zeitungen 2004“, S. 239 – 251.

Autorin:
Anja Pasquay
Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV)
E-Mail: pasquay@bdzv.de

Publikation:
Anja Pasquay (Hrsg.)
Lesen, Spielen, Lernen - Kinder und Zeitung
ZV Zeitungs-Verlag Service GmbH
1. Auflage. Berlin 2007. Paperback.
84 Seiten. 19,80 €
ISBN 978-3-939705-03-1

Inhalt:

  • Vorwort Helmut Heinen
  • Kapitel 1: Damit aus Kindern Leser werden von Anja Pasquay
  • Kapitel 2: Zwischen Prinz Poldi und Tokio Hotel: Was Kinder interessiert von Axel Dammler
  • Kapitel 3: Die können ja noch gar nicht lesen! Zeitung im Kindergarten von Elke Jansen
    Selbst Eltern waren manchmal erstaunt, wie interessiert ihre Kinder schon die Zeitung verfolgt haben - Interview mit Anke Pidun
  • Kapitel 4: KLASSE!Kids – Ein Teil der KLASSE!-Familie von Peter Krones
    Prädikat: ansteckend! Grundschulprojekte als Jungbrunnen für die Redaktionen von Anne Haage
    PROMEDIA – LESEPASS und ZEITUNGSFLIRT für Grundschulkinder von Petra Wolff und Ralf Foltz
    ZEUS-Kids – Das Grundschulprojekt der Journalistenschule Ruhr Von Harald Heuer
  • Kapitel 5: Alte Zeitung – junge Fans. Die Kinderseite des „Hellweger Anzeigers“ von Volker Stennei
  • Kapitel 6: Augsburg: „Meine Paula Print“ – Die Kinderzeitung mit der Ente von Sandra Bräucker
  • Kapitel 7: Monatliche Beilage für die lokale Presse – Die „Kinderzeitung“ vom Verband Deutscher Lokalzeitungen von Martin Wieske
  • Kapitel 8: Voll krass! Die Kinderrubrik im „Südkurier“ von Anja Wischer
  • Kapitel 9: Nachrichtenprofis mit neuen Zielen – Was dpa künftig für Kinder tut von Petra Kaminsky
  • Kapitel 10: logo!-Nachrichten für Kinder gibt es auch gedruckt – Vom Fernsehen in die Zeitung von Markus Mörchen
  • Kapitel 11: Zeitungsgruppe Thüringen: Ich freu mich auf die Schule – Marketing für Erstleser von Andreas Kaymer
  • Kapitel 12: Die KidsVA – Was Kinder heute mögen, wollen, wünschen von Ralf Bauer
  • Kapitel 13: Vom Spielplatz ins Internet? Mediennutzung bei Kindern von Hans-Jürgen Hippler
  • Kapitel 14: Herausforderungen und Perspektiven – Die deutsche Grundschule im Kontext von IGLU und KESS von Wilfried Bos, Sabine Hornberg, Martin Bonsen und Irmela Buddeberg
  • Kapitel 15: Wettbewerb

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