interview

„Comics erreichen oft auch Kinder, die man mit Büchern nicht erreicht.“

31.01.2023

Das Festival „Yippie!“ feiert Kindercomics




Jakob Hoffmann
Jakob Hoffmann
© Jakob Hoffmann
Vom 3. bis zum 5. Februar findet das Kindercomicfestival „Yippie!“ im Jungen Museum Frankfurt statt. In Live-Lesungen mit Autor*innen und Illustrator*innen, Workshops und Mitmachaktionen widmet sich das Festival der Vielfalt dieses besonderen Mediums mit dem Ziel, die Neugier und den Spaß am Comic bei den jungen Besucher*innen zu wecken. Festivalleiter Jakob Hoffmann berichtet im Interview, warum sein Herz für Comics schlägt, was er sich für die Nutzung von Comics wünscht und welche Vermittlungsmethoden sich für dieses Medium besonders eignen.




Redaktion: Hallo Jakob, Du bist ehrenamtlicher Festivalleiter und Mitbegründer des Kindercomicfestivals „Yippie!“. Woher kommt Deine Leidenschaft zum Kindercomic und wie ist die Idee des Festivals entstanden?

J. Hoffmann: Das ist nicht ganz klar zu beantworten. Seit ungefähr 10 Jahren mache ich Comicveranstaltungen. Ich habe die Gattung erst spät entdeckt, – es ging mir wie vielen, die als Teenager damit aufgehört haben, Comics zu lesen. Ich habe dann gemerkt, wie viel man mit Comics machen kann und vor allem, was für eine großartige, diverse Kunstform das ist. Damals habe ich auch immer wieder nebenberuflich Veranstaltungen im Kunstbereich gemacht, auch für Kinder. Unter anderem eine große Ausstellung mit Illustrator*innen aus Frankfurt und aus England für das Museum für Moderne Kunst. Beruflich habe ich auch mit Kindern und Jugendlichen zu tun, es lag in der Luft, auch etwas mit Kindercomics zu machen. Die Szene für unabhängige Kindercomics ist sehr klein, besonders in Deutschland. Also kennt man sich und es ist leicht, ein Festival zu organisieren. Ich hatte einen guten Draht zum Jungen Museum in Frankfurt am Main und damit einen perfekten Ort. Also entstand „Yippie!“ Das war 2017. Seither ist viel passiert.

Redaktion: Comics und Graphic Novels finden auf dem Kinderbuchmarkt in den letzten Jahren immer mehr Beachtung und kommen auch in der Leseförderung häufiger zum Einsatz. Welche Vorteile haben Comics im Vergleich zu anderen Büchern, um Kinder zum Lesen zu motivieren?

J. Hoffmann: Ich finde es falsch, von Vorteilen zu sprechen. Comics haben Eigenschaften, die manche Kinder mehr ansprechen als andere. Damit erreicht man vielleicht auch Kinder, die man durch Bücher nicht erreicht. Es ist aber ein Irrglaube zu denken, man brauche für das Entschlüsseln von Bildern keine spezifischen Kompetenzen. Es ist ein Vorurteil zu glauben, Comics wären niedrigschwelliger – allerdings auch eines, dass wir gerne ausnutzen.

Redaktion: Neben dem reinen Text bieten Comics ja auch die unterschiedlichsten visuellen Codes und Erzählnarrative an. Welche Methoden können pädagogische Fachkräfte nutzen, um die Potenziale von Comics mit den Kindern auszuschöpfen?

J. Hoffmann: In dieser Frage steckt das Wohl- und Wehe des Verhältnisses von Leseförderung und Comics. Comics sind dann gute Comics, wenn Bild- und Textebene eine eigene Qualität haben. Wenn das Bild das Gesagte nur illustriert oder der Text das Bild erklärt, dann ist es langweilig wie ein deutscher Fernsehfilm.
Es gibt viele Methoden, wie man pädagogisch mit Comics arbeiten kann – aber Vorsicht, Kinder merken sofort, wenn man ihnen etwas unterjubeln will. Comics sind eine eigene Jugendkultur und alle Methoden sollten dieses Eigenständige beibehalten. Was ich sehr gerne mache, das ist aber nur ein Beispiel, ist das Vertonen von Comics. Das machen wir bei Yippie! auch und es macht sehr viel Spaß. Grundsätzlich sind Comics perfekte Storyboards, die man leicht vertonen, verfilmen oder live inszenieren kann.

Redaktion: Wie setzt ihr Comics beim Festival ein und was ist dieses Jahr Dein besonderes Highlight?

J. Hoffmann: Wir setzen Comics überhaupt nicht ein. Die einzige Funktion, die sie haben, ist Kinder zu unterhalten und sie neugierig zu machen. Das besondere am Festival ist ganz einfach: Die Macher*innen, die Zeichner*innen sind da. Sie inszenieren ihre Comics in den Lesungen mit Musik oder mit verschiedenen Stimmen, mit Livezeichnen oder indem sie zeigen, wie die Comics entstanden sind. Das ist einfach toll. Das Festival ist gespickt mit Highlights: Erstmals kommt eine Mangaka (Christina Plaka), mit Marc Boutavants Reihe „Ariol“ zeigen wir die besten Schulgeschichten seit dem „Kleinen Nick“ und die Bildklanglesungen von Ferdinand Lutz & Dominik Merscheid setzen Maßstäbe in der Performanz von Comics. Mit Mawil und Ralf König haben wir die beiden deutschen Künstler, die bisher als einzige einen Lucky Luke zeichnen durften.

Redaktion: Was würdest Du Dir wünschen, um das Medium Comic noch besser in den Medienalltag von Kindern zu integrieren?

J. Hoffmann: Mehr Comics in den Schulen und mehr Bereitschaft der Eltern, Kindern Comics zugänglich zu machen. Comics sind nicht billig, das ist ein Problem. Mein großer Traum ist es, dass es eigene Stipendien für Kindercomics in Deutschland gibt – damit mehr der großen Talente hier sich trauen, Kindercomics zu zeichnen.

Redaktion: Hast Du einen absoluten Lieblingscomic, den Du den Leser*innen gerne ans Herz legen möchtest?

J. Hoffmann: Ich habe das große Vergnügen, mit POLLE ein Kindercomicmagazin herauszugeben und das noch größere Vergnügen, meine Lieblingskünstler*innen zu fragen, ob sie dafür etwas zeichnen. POLLE ist ein guter Start für Entdeckungsreisen. Mein Lieblingscomic – für Kinder und Erwachsene – ist vermutlich „Der Umfall“ von Mikael Ross. Aber während ich das sage, fallen mir schon 74 andere ein

Redaktion: Danke fürs Gespräch und viel Erfolg mit dem Festival!


Über das Festival und seine Gründer*innen:
Seit 2017 findet das Kindercomicfestival „Yippie!“ in den Räumen des Jungen Museums Frankfurt statt. In Bildklanglesungen, Live Zeichnungen und Workshops mit den Autor*innen und Illustrator*innen der Comics wird die Vielfalt des Mediums für Kinder und Jugendliche gelebt. Der Festivalleiter Jakob Hoffmann hat es zusammen mit Akteur*innen der deutschen Kindercomicszene gegründet. Er ist ebenso Mitbegründer von POLLE, einem Comic-Magazin für Kinder zwischen 7 und 12 Jahren. Darin veröffentlichen Künstler*innen aus aller Welt ihre brandneu gezeichneten Geschichten. Dazu gibt es Spiele, Rätsel sowie Musik und Comic-Lesungen zum Download. POLLE erscheint zweimal im Jahr beim Péridot Verlag. Es ist werbefrei und so fair und nachhaltig wie möglich hergestellt.

Redaktionskontakt: anda@dipf.de