Bericht

Sprachprofi werden

10.02.2022

Gezielte Sprachförderung mit Büchern, Musik, Bewegung und digitalen Medien




Titelseite der Broschüre
Titelseite der Broschüre
© Stadtbibliothek Spandau
In sechsjähriger Zusammenarbeit entwickelten die Berliner Stadtbibliothek Spandau und 10 Spandauer Kitas gemeinsam mit dem Sven Walter Institut ein Programm zur Verbesserung der Sprachkompetenz von Kindern im Alter von 1 bis 3 sowie von 4 bis 6 Jahren. Die Ergebnisse und Erfahrungen aus dem mit EU Mitteln geförderten Sprachförderprojekt „Sprachprofis“ wurden in einer Broschüre dokumentiert. Diese enthält neben einer Beschreibung der Arbeitsschritte und Aktivitäten thematische Konzepte, mit denen gut in Kitas und Bibliotheken gearbeitet werden kann. Die Broschüre steht auf der Website der Kinder- und Jugendbibliothek Spandau zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Nachfolgend beschreibt Anne Hector, Bildungsreferentin am Sven Walter Institut, die Arbeitsschritte und Aktivitäten des Sprachförderprogramms.

Spielend Wörter lernen mit den Sprachprofis
Das Konzept des additiven, modular aufgebauten Sprachförderprogramms basiert auf wissenschaftlichen Forschungsergebnissen und bildet das theoretische Rahmengerüst für beide Zielgruppen (Gruppe A = Kinder von 1 bis 3 Jahren) und (Gruppe B = Kinder von 4 bis 6 Jahren). Es werden mehrere Sprachebenen systematisch mit vorgegebenem Material gefördert. Das Programm wird interaktiv und medienbasiert vor Ort in den Kitas durchgeführt.

Das Sprachförderprogramm basiert auf drei Säulen:

1. Sprachförderprogramm in der Kita
Einmal wöchentlich besucht eine Sprachförderkraft eine am Projekt teilnehmende Kita. In Kleingruppen von bis zu 7 Kindern werden zu einem Thema Lieder gesungen, Fingerspiele geübt, mit Bildkarten neuer Wortschatz eingeführt, mit Hilfe von Bilderbüchern Geschichten erzählt.

2. Fortbildungen: Erzieher*innen, Bibliotheksmitarbeiter*innen
Die zweite Säule betrifft die Fortbildung von Erzieher*innen sowie des Bibliothekspersonals zum Thema der Sprachförderung und Medienkompetenz. In Workshops konnten unter der Anleitung durch Experten aus Wissenschaft und Praxis neue Bücher, Spiele und Geräte kennengelernt, ausprobiert und ihre Nutzung in der Sprachförderung diskutiert werden.

3. Elternarbeit
Die Einbeziehung der Eltern stellte die dritte Säule des Projekts dar: Das Sven Walter Institut (SWI) und die Kitas luden also Eltern in die Kitas zu Elternabenden ein, auf denen das Programm vorgestellt wurde. Des Weiteren wurden Elternabende zum Thema: „Wie kann ich mein Kind beim Spracherwerb unterstützen?“ Und: „Meilensteine der kindlichen Sprachentwicklung“ durchgeführt. Auf diese Art und Weise sollten die Eltern auf die Aktivitäten der Sprachprofis aufmerksam gemacht und angeregt werden, den Dialog mit ihren Kindern zu suchen und sich darüber auszutauschen. Die Mütter und Väter erwarben Wissen auf dem Gebiet der Sprachförderung und begannen, die Sprachentwicklung ihrer Kinder bewusster und aufmerksamer wahrzunehmen und zu unterstützen. Außerdem ergab sich bei diesen Treffen ein Austausch zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften außerhalb des geregelten Kita-Alltags.

Der Mehrwert des Programms ergibt sich aus der Kooperation mit den Partnern Kita und Bibliothek. Die Kinder- und Jugendbibliothek sucht Bilderbücher und Spiele aus, die Kindern Sprechanlässe bieten. Die Sprachprofis setzen die Materialien in den Modulen ein, bei denen auch stets Erzieher*innen der Einrichtungen anwesend sind. So wirken die Sprachprofis als Multiplikatoren, regen zu neuen Spielen, Liedern und Bewegungsabläufen an. Im Verlauf der Woche werden die Bilderbücher von den Fachkräften der Kitas wiederholt eingesetzt, um die neuen Wörter zu wiederholen, im Kontext zu gebrauchen und so systematisch den Wortschatz der Kinder zu erweitern.

Entwicklung der Module
Das additive Sprachförderprogramm in der Kita, durchgeführt von den Sprachprofis, fördert mehrere Sprachebenen systematisch nach einem festgelegten zeitlichen Ablaufplan mit vorgegebenem Material. Es wird immer ein Thema aufgegriffen, das eine aktuelle Relevanz hat und die Kinder interessiert. In Absprache mit dem pädagogischen Personal der Einrichtungen entwickelten wir Sprachförderbausteine, beispielsweise zu Tieren und deren Lebensraum sowie über Jahreszeiten oder Diversität.

Die Zeit der Sprachförderung beträgt in der Regel 30 Minuten. Die Kinder kommen nach dem Frühstück und dem Morgenkreis in einem Raum zusammen, der für die Sprachprofis reserviert ist. Das kann eine Bibliothek sein oder auch ein Bewegungsraum. Wir begrüßen uns alle mit einem Lied, das durch die Handpuppen Annelie und Fridolin eingeführt wurde. Die Wiederholung hilft den Kindern, anzukommen und sich auf diese besondere Zeit einzulassen. Sie sitzen im Kreis, hören aufmerksam zu, greifen die Realien wie Figuren, Blätter, Kastanien, Dinge aus dem Kaufmannsladen an und sprechen mit der Sprachförderkraft. Sie erzählen, was sie auf den Bildern sehen, stellen Fragen und kreieren gemeinsam Geschichten.

Modul 1: Sozial – kommunikative Entwicklung
Jedes Thema wird in fünf Module aufgegliedert. In Modul 1 steht die sozial-kommunikative Entwicklung im Vordergrund. Das Thema wird mit Hilfe von Bildkarten, einem Lied oder einem Bilderbuch eingeführt und die Kinder bringen ihr Vorwissen und ihre Fragen ein. Dabei verwenden wir die Methode des dialogischen Vorlesens, das sich durch Nachfragen auszeichnet wie z. B.: Was fällt euch auf? Was denkt ihr, passiert jetzt? Dabei kann es auch passieren, dass die Bücher nicht von der ersten bis zur letzten Seite vorgelesen, sondern sich im Vorfeld die Bilder und Szenen ausgesucht werden, die erwartungsgemäß Sprechanlässe bieten.

Modul 2: Sprachlich – kognitive Entwicklung
Im zweiten Modul liegt der Fokus auf der sprachlich-kognitiven Entwicklung. Hier wird der Wortschatz zum Thema wiederholt, vertieft und gefestigt. Mit weiteren Bilderbüchern und Materialien können die Kinder weitere Aspekte zum Gegenstand erfahren.

Modul 3: Laute und Prosodie
Laute und Prosodie spielen im dritten Modul eine Rolle. Hier liegt die Betonung auf Reimwörtern, auf Geräuschen, die den einzelnen Bereichen zugeordnet werden, auf der Bildung zusammengesetzter Wörter. Durch Rhythmusübungen trainieren wir auch die Koordinationsfähigkeit und die Bewegungssicherheit.

Modul 4: Wörter und ihre Bedeutung
Wörter und ihre Bedeutung werden im vierten Modul besprochen. Zu diesem Zeitpunkt können mit dem bereits erworbenen Wissen Zusammenhänge näher erläutert, komplexere Sätze geübt, die neuen Wörter im Kontext angewendet werden.

Modul 5: Grammatik – Satzbau und Wortbildung
Die Grammatik kann im fünften Modul mit Bildkarten für die Pluralbildung geübt werden. Genauso kommen Fragerunden zum Einsatz, damit die Kinder differenzierter sprechen können: „Warum gefällt dir das?“ um die Struktur von „weil-Sätzen“ zu üben. „Warum stimmt das nicht?“ um in der Antwort die richtige Bezeichnung zu erfahren.

Modul 6: Meilenstein
Zum Abschluss einer Einheit gestalten die Kinder im sechsten Modul den Meilenstein. Je nach Thematik kann es sich dabei um ein Bild mit Wasserfarben oder Stiften handeln, um ein kleines Buch, ein Lesezeichen oder eine Figur. Es wurden Collagen gebastelt, Bilder aus Naturmaterialien oder Knete selbst hergestellt.

Alle Module wurden jeweils mit den Handpuppen Annelie und Fridolin begonnen und beendet. Dazu wurde am Anfang im Sitzkreis oder im Stehen ein Begrüßungslied gesungen und zum Schluss ein Abschiedslied. Danach machen die Kinder mit den Stempeln des Projekts – den Pfoten des Fuchses und den Krallen des Papageis - einen Stempel in ihre Stempelhefte.

Nach der Verabschiedung erzählen die Kinder aus der Sprachförderung ihren Freunden und Freundinnen oft von ihren Erlebnissen, nehmen die Bücher selbst zur Hand und sprechen mit den pädagogischen Fachkräften, mit Geschwisterkindern und den Eltern über das, was sie erlebt haben.

Während der Corona-Pandemie, als die Kitas nur für die Notbetreuung geöffnet waren, haben die Sprachprofis Videos gefilmt, um weiter mit den Kindern in Kontakt bleiben zu können. Dadurch, dass diese Sequenzen mit Hilfe der Smartphones der Eltern geteilt wurden, haben diese oft teilgenommen an den Aufgaben und sich mit ihren Kindern über die Bilder und Lieder unterhalten.

Wir wünschen uns, dass viele Kitas den Faden aufnehmen und die im Folgenden beschriebenen Module selber durchführen und durch andere Themen ergänzen.

Autorin: Anne Hector, Bildungsreferentin, Sven Walter Institut

Die Broschüre enthält Konzepte zu folgenden Themen:
  • Formen und Fühlen
  • Forschen und Experimente
  • Ernährung
  • Diversität und Inklusion
  • Kleine Weltretter: Klima- und Umweltschutz in der Kita
  • Sprach- und Medienkompetenzförderung mit digitalen Tools

Kontakt:
Katrin Seewald
Kinder- und Jugendbibliothek Spandau
Carl-Schurz-Str. 13
13597 Berlin
Tel.: (030) 902795526
E-Mail: bibliothek@ba-spandau.berlin.de
www.berlin.de/stadtbibliothek-spandau/
Redaktionskontakt: schuster@dipf.de