Bericht

Lesen optimieren

05.09.2017

Computergestützte Interventionen, die die Leseflüssigkeit steigern




Projektflyer LeA-Training
Projektflyer LeA-Training
© DIPF
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) koordinierten Forschungszentrums IDeA (Individual Development and Adaptive Education of Children at Risk) untersuchten 2015 und 2016 in mehreren Studien computergestützte Interventionsprogramme, die dazu dienen, die Leseflüssigkeit zu verbessern, und entwickelten diese weiter. Dabei untersuchten und manipulierten sie die zur Verfügung stehende Lesezeit. Frühere Studien hatten gezeigt, dass es sich positiv auf die Lesegeschwindigkeit und das Leseverständnis auswirken kann, die Lesezeit durch Zeitdruck zu limitieren. Die Forschenden untersuchten daher die Wirkmechanismen einer Manipulation, bei welcher der zu lesende Text systematisch ausgeblendet wird. Dabei wurde in den Blick genommen, welche Potenziale und Grenzen die Zeitbeschränkung als Methode für Leseflüssigkeitstrainings aufweist.

Das verantwortliche Team führte ein Trainingsprogramm durch, in dem der am Computer dargebotene Text Buchstabe für Buchstabe in Leserichtung ausgeblendet wurde. Basis für die Ausblendgeschwindigkeit war die zuvor ermittelte individuelle Leseleistung der Kinder der dritten Klassenstufe, die acht Trainingssitzungen durchliefen. Deren Leseleistungen erfassten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem standardisierten Lesetest vor und nach dem Training. Die Trainingsgruppe wurde aufgeteilt: Ein Teil der Kinder bekam Texte unter Zeitdruck – mit Manipulation – präsentiert, der andere in eigener Leseroutine – ohne Manipulation. Nach dem Training zeigte sich, dass sich die Gruppe mit Manipulation signifikant in Bezug auf die Leseleistung auf Wort- und Satzebene verbessert hatte. Bei den anderen Kindern kam es dagegen zu keinen Leistungsveränderungen.

In einer weiteren Studie (LexPro – Lexikalische Prozesse u. Interventionsmethoden bei Kindern mit Leseschwierigkeiten) wurde untersucht, wie effektiv verschiedene Methoden für das Ausblenden von Text sind (siehe Grafik „Variationen der Textpräsentation“). Fünftklässlerinnen und Fünftklässlern lasen Textmaterial entweder mit oder ohne Zeitdruck durch die Ausblende-Manipulation. Die Manipulation erfolgte in drei verschiedenen Varianten: Es wurden einzelne Buchstaben, ganze Wörter und Wortteile des Textes ausgeblendet. Im Ergebnis zeigte sich, dass der Zeitdruck die Leseflüssigkeit verbessert hatte. Dies galt sowohl für Kinder mit als auch ohne Leseschwierigkeiten. Das Leseverständnis blieb während der Untersuchung in beiden Gruppen konstant.

Variationen der Textpräsentation: mit und ohne Ausblende-Manipulation

Grafik: Variationen der Textpräsentation: mit und ohne Ausblende-Manipulation
© DIPF

Die Analyse der Ausblende-Variationen ergab keine signifikanten Unterschiede: Das Ausblenden von einzelnen Buchstaben, ganzen Wörtern und Wortteilen war gleichermaßen effektiv. Die bisherigen Ergebnisse der Arbeitsgruppe sprechen dafür, dass die Limitierung von Lesezeit die Leseflüssigkeit effektiv steigern kann – unabhängig davon, welche Schrifteinheiten manipuliert werden.


Forschungsprojekt LeA-Training - Learning Acceleration Training
Im Rahmen des Forschungsprojekts LeA-Training, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), wird die Wirksamkeit eines computergestützten Leseflüssigkeitstrainings auf der Grundlage der Erkenntnisse aus den Vorgängerstudien untersucht. Ziel ist es, Bedingungen zu identifizieren, unter denen es im Training zu Verbesserungen der Leseleistung kommt, damit das Programm langfristig möglichst effektiv für Kinder mit Leseschwierigkeiten eingesetzt werden kann. Besonderer Fokus wird auf mögliche Veränderungen der Lese-Strategie-Anwendung und der basalen kognitiven Maße (z. B. phonologische Bewusstheit, orthographisches Wissen, Benenngeschwindigkeit) gelegt.
In einer Voruntersuchung (Screening) wurden zunächst an den kooperierenden Grundschulen Kinder der 3. Klassenstufe mit massiven und leichteren Leseschwierigkeiten für die Teilnahme an der Studie ausgewählt. Grundlage für die Auswahl waren die Ergebnisse von eingesetzten standardisierten Leistungstests, bei denen im Klassenverband Lese- und Rechtschreibaufgaben sowie Aufgaben zum schlussfolgernden logischen Denken von den Kindern bearbeitet wurden. Insgesamt nehmen 125 Kinder aus 10 Grundschulen an der Trainingsstudie teil. Jedes Kind nimmt zweimal wöchentlich an einer Trainingssitzung und insgesamt an max. 16 Sitzungen teil, in denen ein computerbasiertes, an die individuellen Leseleistungen angepasstes Lesetrainingsprogramm absolviert wird. Vor dem Training, nach dem Training und 6 Monate nach Beendigung des Trainings werden die teilnehmenden Kinder einzeln und in Kleingruppen untersucht. Bei diesen Untersuchungen sind Leseaufgaben zu lösen, werden die angewandten Lesestrategien erfasst sowie Geschwindigkeits- und Worterkennungsaufgaben bearbeitet.


Ausgewählte Publikationen:

Bar-Kochva, I. & Hasselhorn, M. (2015). In search of methods enhancing fluency in reading: An examination of the relations between time constraints and processes of reading in readers of German. Journal of Experimental Child Psychology, 140, 140-157.

Lindberg, S., Nagler, T., Bar-Kochva, I. & Hasselhorn, M. (2016). Computergestützte Ansätze zur Förderung der Leseleistung durch Manipulation individueller Lesezeiten. In M. Hasselhorn, A. Heinze, W. Schneider & U. Trautwein (Hrsg.), Förderprogramme für Vor- und Grundschule (Tests und Trends S. N. F., Bd. 14, S. 199-208). Göttingen: Hogrefe.

Nagler, T., Korinth, S. P., Linkersdörfer, J., Lonnemann, J., Rump, B., Hasselhorn, M., & Lindberg, S. (2015). Text-fading based training leads to transfer effects on children's sentence reading fluency. Frontiers in Psychology, 6:119. doi:10.3389/fpsyg.2015.00119

Nagler, T., Lonnemann, J., Linkersdörfer, J., Hasselhorn, M., & Lindberg, S. (2014). The impact of reading material's lexical accessibility on text fading effects in children's reading performance. Reading and Writing, 27, 841–853. doi:10.1007/s11145-013-9468-x

Kontakt:
Dr. Telse Nagler
Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF)
Schloßstraße 29
60486 Frankfurt am Main
Tel.: (069) 24708-724
E-Mail: nagler@dipf.de
www.idea-frankfurt.eu


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