
KonTEXT - Leseförderung für junge Straftäter |
05.10.2012 |
Studentisches Leseprojekt der Hochschule München
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Collage, angefertigt von Projektteilnehmern © Hochschule München |
Angeregt wurde das Leseprojekt durch ein ähnliches Projekt des Jugendamtes Dresden. Schon bald setzten die Studierenden des Bachelorstudienganges Soziale Arbeit an der Hochschule München jedoch eigene Akzente und entwickelten unter Anleitung ihrer Dozentin ein Konzept, das neben der Begleitung von Jugendlichen bei der Erfüllung gerichtlich angeordneter Lesemaßnahmen die Durchführung von Lesegruppen in der Jugendarrestanstalt München vorsieht. Dem Gesamtprojekt gaben sie den Namen KonTEXT, um die zentrale Bedeutung von geschriebenen Texten für ihre Arbeit mit den straffälligen Jugendlichen herauszustreichen.
Die Lesegruppen in der Jugendarrestanstalt bietet das Team von KonTEXT bereits seit Mitte 2011 regelmäßig an. Durch die von jeweils zwei Studierenden gestalteten gemeinsamen Lesestunden soll einerseits Abwechslung in den eintönigen Haftalltag der Jugendlichen gebracht werden. Andererseits bemühen sich die Studierenden darum, den Jugendlichen durch die gemeinsame Arbeit mit geeigneten Texten (insbesondere Jugendbüchern) Freude am Lesen zu vermitteln und sie zum Nachdenken und Diskutieren über die gelesenen Inhalte anzuregen. Dabei kommen verschiedene, zum Teil auch kreative Methoden zum Einsatz, um die Teilnehmer zum Mitmachen zu motivieren.
Die Begleitung von gerichtlich angeordneten Lesemaßnahmen außerhalb der Jugendarrestanstalt übernimmt das KonTEXT-Team seit dem Sommersemester 2012. Seit dieser Zeit werden Leseweisungen von den Jugendgerichten München und Fürstenfeldbruck als neue pädagogische Maßnahme im Rahmen eines Modellversuches erprobt. Die gerichtlich angeordneten Leseweisungen sind als Alternative zu den herkömmlichen Arbeits- bzw. Sozialstunden gedacht, deren praktische Durchführung zuweilen Zweifel an ihrem pädagogischen Wert aufkommen lässt.
Im Unterschied zu den Sozialstunden zwingen die Leseweisungen die Jugendlichen dazu, mit dem Kopf zu arbeiten, ihre oftmals schwachen Lesekompetenzen mit Unterstützung von Studierenden zu trainieren und sich mit Texten gedanklich auseinanderzusetzen. Ferner werden sie dazu angeregt, Bezüge zwischen den gelesenen Texten und ihrer eigenen Lebenssituation herzustellen, um im Idealfall neue Wege der Problembewältigung für sich zu entdecken.
Die Auswahl der Texte erfolgt in einem ausführlichen Erstgespräch unter Berücksichtigung von gerichtlichen Empfehlungen, individuellen Interessen und Problemlagen sowie Lesekompetenzen der jeweiligen Jugendlichen. Mehr als 120 Jugend- und sonstige geeignete Bücher stehen inzwischen zur Wahl. Während der Lektürephase werden die Jugendlichen von einem studentischen Mentor oder einer Mentorin einzeln betreut. Im Rahmen von bis zu sechs einstündigen Treffen diskutieren die Jugendlichen mit ihren Mentoren über die gelesenen Bücher und die Parallelen oder Unterschiede zwischen den beschriebenen Inhalten und ihrer eigenen Situation. Begünstigt durch die Altersnähe kommt es dabei häufig zu sehr intensiven und vertrauensvollen Gesprächen über die Probleme der Jugendlichen. Am Ende der Lektürephase verarbeiten die Jugendlichen die Lektüreinhalte dann noch nach eigener Wahl in schriftlicher oder in künstlerischer Form. Manche Teilnehmer entscheiden sich für eine selbst verfasste Kurzgeschichte, in der sie Motive aus dem gelesenen Buch mit Elementen ihrer eigenen Lebensgeschichte verknüpfen. Andere nutzen die Kreativangebote und gestalten in Gruppen neue Buchcover oder verarbeiten Buchinhalte zu einem Comic oder Rap.
Fast 50 Jugendliche konnten seit Beginn des Sommersemesters im Rahmen von Leseweisungen betreut werden. Ferner wurden seit Beginn des Projekts mehr als 40 Lesegruppen in der Jugendarrestanstalt durchgeführt. Sowohl die begleiteten Leseweisungen als auch die Lesegruppen in der Jugendarrestanstalt wurden von den Teilnehmern bislang fast ausnahmslos positiv bewertet, obwohl die Jugendlichen überwiegend bildungsfernen Milieus angehören und sich in ihrer Freizeit normalerweise nicht mit Büchern beschäftigen. Das hindert sie jedoch ganz überwiegend nicht daran, in den Gruppen bzw. bei den Einzelmaßnahmen engagiert mitzuarbeiten, trotz aller psychischen Probleme, sozialen Schwierigkeiten und traumatischen Erfahrungen, die sie teilweise bereits in jungen Jahren machen mussten.
Um das Projekt erfolgreich fortführen zu können, ist es auf Spenden dringend angewiesen. Die Spenden fließen in die Anschaffung von Büchern und sonstige Materialien, die für die Arbeit mit den Jugendlichen benötigt werden, ferner in die Fortbildung der Studierenden, die sich in dem Projekt engagieren. Spenden können unter Angabe des Förderzweckes „Hochschule München/KonTEXT“ auf das Spendenkonto des Projekts bei der Staatsoberkasse Bayern, Bayerische Landesbank, Kontonummer 1190315, BLZ 700 500 00 geleistet werden.
Kontakt:
Prof. Dr. Caroline Steindorff-Classen
Hochschule München
Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften
Am Stadtpark 20
81243 München
E-Mail: steindorff@hm.edu
Internet: www.hm.edu/fk11
Redaktionskontakt: schuster@dipf.de