Bericht

Botschaft des mexikanischen Autors Francisco Hinojosa an die Kinder der Welt

02.04.2012

Internationaler Kinderbuchtag am 2. April 2012




Plakat: Internationaler Kinderbuchtag 2012
Plakat: Internationaler Kinderbuchtag 2012
Illustration: Juan Gedovius
Seit 1967 wird am oder um den 2. April, dem Geburtstag von Hans Christian Andersen, der Internationale Kinderbuchtag (ICBD = International Children’s Book Day) gefeiert. Das Internationale Kuratorium für das Jugendbuch „International Board on Books for Young People (IBBY)“ möchte damit die Aufmerksamkeit für die Kinderliteratur und die Leseförderung verstärken. Jedes Jahr übernimmt eine nationale IBBY-Sektion die Patenschaft über den Internationalen Kinderbuchtag. Sie entscheidet über das spezifische Thema und gewinnt einen führenden Autor aus ihrem Land dazu, eine an die Kinder der Welt gerichtete Botschaft zu verfassen, ein bekannter Illustrator gestaltet dazu ein Plakat. Mit Hilfe dieser Materialien soll für Bücher und das Lesen geworben werden. Die nationalen IBBY-Sektionen verbreiten die Botschaft zum Internationalen Kinder- und Jugendbuchtag mit Hilfe der Medien und veranstalten einschlägige Aktivitäten in Zusammenarbeit mit Schulen und Bibliotheken. In diesem Jahr verfasste der mexikanische Autor Francisco Hinojosa die traditionelle Botschaft unter dem Motto „Es war einmal ein Märchen, das die ganze Welt erzählte“. Das Poster gestaltete Juan Gedovius. Poster und Flyer können über das IBBY-Sekretariat bestellt werden.

Es war einmal ein Märchen, das die ganze Welt erzählte
Es war einmal ein Märchen, das die ganze Welt erzählte. Dieses Märchen war in Wirklichkeit nicht nur ein einziges, sondern sehr viele, die die Welt erfüllten mit ihren Geschichten von ungehorsamen Mädchen und bösen Wölfen, von gläsernen Pantoffeln und verliebten Königssöhnen, von schlauen Katern und standhaften Zinnsoldaten, von freundlichen Riesen und paradiesischen Schokoladenfabriken. Sie erfüllten sie mit Worten, mit Klugheit, mit Bildern, mit außergewöhnlichen Figuren. Sie ließen sie lachen, staunen, zusammenleben. Sie erfüllten sie mit Bedeutungen. Und seit jener Zeit haben sich diese Märchen vervielfältigt, um uns tausendundeinmal zu sagen: „Es war einmal ein Märchen, das die ganze Welt erzählte ...“

Beim Lesen, beim Erzählen und beim Anhören von Märchen üben wir uns in der Vorstellungskraft, so als müßten wir diese schulen, um sie in Form zu halten. Und eines Tages wird, ohne dass wir es auch nur ahnen, eine dieser Geschichten in unserem Leben auftauchen, um uns erfinderische Lösungen anzubieten für die Schwierigkeiten, die sich uns in den Weg stellen.

Beim Vorlesen, beim Erzählen und beim Anhören von Märchen nehmen wir auch ein sehr altes Ritual wieder auf, das in der Geschichte der Zivilisation eine große Rolle gespielt hat: Gemeinschaft schaffen. Um diese Märchen herum haben sich die Kulturen, die Zeitalter und die Generationen versammelt, um uns zu sagen, dass wir alle eins sind: die Japaner, die Deutschen und die Mexikaner; diejenigen, die im 17. Jahrhundert lebten, und wir, die wir ein Märchen im Internet lesen; die Großeltern, die Eltern und die Kinder. Trotz all unserer Unterschiede erfüllen uns Märchen gleichermaßen, weil wir alle im Grunde genommen ihre Hauptfiguren sind.

Im Gegensatz zu lebenden Organismen, die geboren werden, sich fortpflanzen und sterben, können Märchen, so fruchtbar wie sie sind, unsterblich sein. Ganz besonders jene der Volkstradition, die sich den Umständen der Gegenwart anpassen, in der sie erzählt oder neu aufgeschrieben werden. Es sind dies Märchen, die uns, wenn wir sie wiedergeben oder anhören, zu ihren Mitautoren machen.

Und es war auch einmal ein Land voller Mythen, Märchen und Legenden, die von Mund zu Mund durch die Jahrhunderte reisten, um seine Vorstellung von der Schöpfung darzulegen, um seine Geschichte zu erzählen, um seinen kulturellen Reichtum anzubieten, um die Neugier anzuregen und uns ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Es war ein Land, in dem wenige seiner Bewohner Zugang zu Büchern hatten. Aber das ist eine Geschichte, die schon angefangen hat sich zu verändern. Heutzutage erreichen die Märchen immer entlegenere Ecken in meinem Land, Mexiko. Und erfüllen in der Begegnung mit ihren Lesern ihre eigentliche Aufgabe: eine Gemeinschaft zu schaffen, eine Familie zu schaffen sowie Individuen zu formen, die es etwas leichter haben, in ihrem Leben glücklich zu sein.

Autor: Francisco Hinojosa

Übersetzung: Martina Bartel

Die Botschaft ist in spanischer, englischer und französischer Sprache verfügbar unter: www.ibby.org

International Board on Books for Young People (IBBY)
Das internationale Kuratorium für das Jugendbuch ist eine gemeinnützige, weltweit tätige Organisation. In ihr engagieren sich Menschen, die bestrebt sind, bei Kindern und Jugendlichen das Interesse an Büchern und Literatur zu wecken. Als nichtstaatliche Organisation mit offiziellem Status bei UNESCO und UNICEF ist IBBY in die Vorbereitung politischer Entscheidungen einbezogen und wirkt als Anwalt des Kinder- und Jugendbuchsektors. Der Arbeitskreis für Jugendliteratur e.V. (AKJ) ist die deutsche Sektion des IBBY und vertritt die Belange der deutschen Kinder- und Jugendliteratur bei internationalen Kongressen und Wettbewerben (z.B. Hans Christian Andersen-Preis, Biennale der Illustration Bratislava) sowie bei Messen und Ausstellungen.
IBBY pflegt weltweit enge Kontakte mit zahlreichen anderen internationalen Organisationen und Kinderbuch-Institutionen. Alljährlich ist IBBY auf der internationalen Kinderbuchmesse in Bologna vertreten und nimmt auch an anderen internationalen Buchmessen teil.

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