Schülertext

Sieger des Schreibwettbewerbs „Das gefällt mir!“

28.10.2011

Lernende aus Lese- und Schreibkursen reichten Gedichte und Texte ein




Logo des Bundesverbandes Alphabetisierung und Grundbildung
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Im Mai 2011 hatte der Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V. Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Alphabetisierungskursen dazu aufgerufen, sich am jährlichen Schreibwettbewerb des Verbandes zu beteiligen. In diesem Jahr sollten ein Foto und ein Text zum Thema „Das gefällt mir!“ eingereicht werden. Nicht weniger als 119 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Lese- und Schreibkursen für Erwachsene folgten dem Aufruf. Die eingereichten Fotos und Texte waren durchweg sehr persönlich geprägt. „Die Teilnehmer sind sehr stolz auf ihre Geschichten, auch wenn wir nicht gewinnen sollten – die Mühe hat sich gelohnt“, schrieb eine Berliner Kursleiterin.

Die prominent besetzte Jury wählte eine Gewinnerin und einen Gewinner aus. 110 Stimmen erhielt die Gewinnerin des Publikumspreises, der über facebook ermittelt wurde. Zur Jury gehörten der Schauspieler Heio von Stetten, Tim-Thilo Fellmer, der erst als Erwachsener das Lesen und Schreiben erlernte, und Martin Reinicke, Pressesprecher der E-Plus Gruppe. „Es sind witzige und auch kreative Texte dabei, die Auswahl war nicht einfach“, so das Fazit von Tim-Thilo Fellmer.
Die Preisverleihung findet am 12. November im BASE_Camp Berlin statt. Wir veröffentlichen nachfolgend die Texte der Wettbewerbssieger.

Von der Jury ausgewählt: „Ab in den Einkaufskorb“ von Hans-Uwe
Schneller Hans-Uwe! Vergiss jetzt nichts. Einfach los.
Beim Obst und Gemüse greife ich die Erdbeeren, die sehen aus wie süße Herzchen. Schämt euch rot und habt Pünktchen ohne Anton, aber mit Härchen.
Da sind auch die Blaubeeren.
Wie viele Kullerchen mögt ihr wohl sein? Zusammen wiegt ihr 125 Gramm. Aber zählen tut euch keiner (Doch es sind 99).
Ah, die Gurken - ab in den Wagen. Ich habe nur Lachfalten, deshalb brauche ich sie nicht als Gesichtsmaske. Doch das Wort Gurke klingt so schön nach Grünfraß.
Dann den Gang runter, links, rechts, und schon der Zucker. Ein Griff zur Papierpackung und rein in den Wagen. Wenn schon ungesund, dann richtig - also den Weißen. Schließlich muss mein Zahnarzt auch leben.
Zum Kaffee. Auf der Packung wimmelt es nur so von Informationen. Mit Koffein und ohne. Früher habe ich mich schon beim Frühstücken geärgert.
Alle Angaben haben zu mir gesagt: du kannst uns nicht lesen. Heute ist das nicht mehr so. Aber meine Sorte habe ich immer erkannt. Und mein Geschmack hat sich durch die Buchstaben nicht geändert. Der Kaffee muss schön stark sein.
Rechts daneben ist der Tee. Für Kängurus mit Beutel und für die Ostfriesen in der Spitztüte. Teesalat scheidet von vornherein aus.
Jetzt bei der Marmelade kommt nichts in den Wagen, denn die von Mama nehme ich am liebsten.
Daneben der „Hoooniiig“. Er ist genauso lecker und klebrig wie man ihn spricht, aber er muss von meinen Bienen stammen. Ich will doch wissen, was auf meinem Brot landet. Deshalb wieder nichts in die Karre.
Dafür Schoco-Mac. Den brauche ich sonntags zum Frühstück. Zebra aufs Brot ist nun mal lecker.
Irgendwo im nächsten Gang ist auch Dosenmilch. Die nehme ich, weil man Duschzeug nicht in den Kaffee tun kann.
Nachdenken, Hans-Uwe, was fehlt noch?
Etwas Scharfes nach den vielen süßen Sachen. Da ist er ja schon, der Löwensenf. Den brauchen kleine Jungs um frech zu werden. Bei Gläsern kann man Stärke schon beim Öffnen zeigen und beim roten Löwen tränen die Augen auch ohne Zwiebeln. Männer müssen mal Herz zeigen können.
Rückwärtsgang einlegen und zurück zum Obst.
Orange ist Apfelsine und dann einfacher zu schreiben.
Ganz ruhig bleiben. Du schaffst das schon, Hans-Uwe.
In die Fischabteilung. Fisch wie Forelle. Ihr werdet gleich in die Pfanne gehauen, nachdem ich euch gesalzen und gesäuert habe. Im Holzofen könnte ich euch auch räuchern. Mein Bruder sagt, dass das Aroma richtig zur Geltung kommt, wenn ihr auf dem Grill landet. Nur erst mal müsst ihr in den Einkaufswagen.
Überlegen, was fehlt? Ich finde es in der Kühlabteilung.
Erst der Joghurt. Die Entscheidung liegt bei rund oder eckig. Beim Fruchtgeschmack gibt es keine Überlegung: Erdbeer muss es sein. Lecker, die weiße Cremigkeit auf rotem Grund.
Passend zur Joghurtkultur eine linksdrehende Wendung zum Quark. Er schmeckt wie er gesprochen wird. Im Winter eine Mischung aus Zimt, Zucker und Schokolade darüber - ein Traum. Vielleicht geht es jetzt im Sommer auch angefroren. Hinein, du kommst mit.
Im Rücken steht die Vollmilch. Frisch und kalt ist hier die Devise, sonst habe ich zu Hause Buttermilch.
Hans-Uwe, wenn du nicht aufpasst, sitzt du mit dem Hinterteil im Reis.
Der ist schon gekocht. Wozu braucht man schon Reiskörner - außer wenn zwei sich etwas antun wollen, aber wer heiratet heute noch? Die fluffige Fertigvariante also in den Korb.
Es kann nicht mehr viel sein, was fehlt.
Gemütlich im Entengang zu den Nudeln geschoben und die Gemütlichkeit endet wieder. Sollen es die geringelten, gedrehten, gestanzten, ausgehöhlten, dünnen, langen oder die dicken Nudeln sein? Ach, einfach ein Paket greifen.
Ein, zwei Regale weiter sind die Cornflakes von Kellogg’s. Die Packung konnte ich immer am Hahn erkennen, den Namen schreiben, ist schwieriger. Aber Essen reicht aus.
Richtung Kasse zu den Schreibwaren. Ruhig bleiben, Hans-Uwe, überleg noch mal, ob du alles hast.
Da ist auch schon die gelbe Tube Uhu. Wird von mir nicht gebraucht, um ein Auto an einen Kran zu kleben, sondern zum Basteln.
Wieder ein Stück näher an die Kasse.
Es ist Sommer, also einen Träger Wasser in den Wagen. Ich würde lieber wie ein Puma stinken, als nichts zum Trinken zu haben.
Doping auf den letzten Metern, denn Isosport muss mit.
Radprofis wissen auch, dass Kombi-Doping wirkungsvoller ist, also eine Flasche Pils mitnehmen. Noch bist du voll. Ich nicht, aber wenn ich mit dir fertig bin, bin ich voll und du leer. Verschlossen mit einem Kronkorken. Bevor ich dich öffne, darf ich dich nicht schütteln. Aber beim Einfüllen kommst du für die Blume in die Schräglage. Der erste Schluck ist bitter, doch dann geht’s runter wie Wasser.
Fast alles da. Endspurt.
Ein Kreischen geht durch den Laden: „Ich will das Auto haben“. Ein kleines Kinder-Ungeheuer unterstreicht wütend mit den Händen seine Forderung.
Nun habe ich es. Denn es landet in meinem Wagen. Meine Sammlung ist um ein blauen Spielzeug-Ford erweitert worden.
Vor dem Bezahlen könnte ich noch Xy... - wie hieß der Süssstoff noch? Egal, Süssstoff mag ich sowieso nicht. Ich habe ja den Zucker und weiß, was fehlt.
Bezahlen?
Nein, sondern aufhören zu träumen! Denn in Wirklichkeit sitze ich am Tisch und überlege, welcher Buchstabe nun kommt. Manchmal brauche ich eine Pause. Ich stelle mir dann vor, dass ich im Supermarkt einkaufe. Dann kann ich wieder weitermachen. Meine gebastelte Buchstabentabelle hilft mir. Sie sortiert meine Einkäufe in die richtige Reihenfolge.
Meine Schreibhilfe sind meine Einkäufe im Supermarkt. Ich spreche langsam das Wort, damit ich jeden Buchstaben höre. Dann ist Schreiben viel einfacher.
„Lernen“ zum Beispiel: „L“ wie Löwensenf, „E“ wie Erdbeeren, „R“ wie Reis, „N“ wie Nudeln, wieder Erdbeer-E und Nudel-N.
Ja, Hans-Uwe, es ist toll, dass du als Erwachsener zur Schule gehst und schreiben lernst!


Von der Jury ausgewählt: Ich liebe das Wasser, das Meer und den Regen von K.J.K.
Wenn ich früher im Schwimmbad oder im Meer war,
brauchte ich immer Boden unter den Füßen.
Sonst fühlte ich mich unsicher.
Ich konnte prima schwimmen, wenn ich wusste,
dass ich noch mit meinen Zehenspitzen
den Boden berühren konnte.
Vier Mal war ich als Jugendliche
mit einer Segelfreizeit auf der Ostsee unterwegs.
Immer wenn die Wellen nicht so hoch waren,
ankerten wir.
Alle sprangen fröhlich ins Wasser –
nur ich nicht!
Weil ich Schiss hatte,
denn hier war das Meer zu tief!
Kein Untergrund unter meinen Füßen!
Eines Tages hat mich der starke Kapitän überredet,
mit ihm zusammen,
an seiner starken Hand
ins Meer zu springen!
Und ich habe es getan!
Das hat mir gefallen! Dann hatte ich keine Angst mehr.
Und bin gesprungen und bin rund ums Schiff geschwommen.
Und bin gesprungen und bin wieder geschwommen.
Seit dem bin ich nie mehr auf einem Segelboot mitgefahren.
Aber ich muss immer daran denken!
Und wenn es regnet, dann denke ich auch
an meine gelben Gummistiefel, die mit auf dem Schiff waren.
Die habe ich mir, wenn es geregnet hat,
angezogen und bin draußen in den Pfützen
rumgesprungen.
Entweder war ich allein oder
ich habe jemanden mitgenommen.
Und gestern habe ich daran gedacht,
weil der Regen mich daran erinnert hat.
Erst war er leicht und dann
war er stürmisch.
Ich bin auf den Balkon gegangen
und stand da.
Der Regen tröpfelte auf meinen Körper.
Da habe ich gedacht: „Jetzt, ziehe ich meine Perücke ab!“
Das habe ich gemacht.
Und der Regen
tropfte auf meinen Kopf.
Es hat mir gut getan.
Es war nicht kalt.
Ich fühlte mich nicht doof.
Es tat einfach gut!
Mein Kopf sieht nämlich so aus:
Vorne ein paar Haare, gerade so viele,
dass ich einen ganz kleinen Zopf machen könnte.
In der Mitte ist es kahl, wegen der Chemo.
Und hinten könnte ich mir einen richtig schönen Zopf machen,
wenn ich wollte.

Publikumspreis für „Eine wohltuende Tat“ von Josefina
Ich kann sagen, ich liebe Musik, aber wieso ich Musik liebe, ist für mich nicht einfach zu beschreiben. Es gibt so vieles, was man über Musik sagen kann, zum Beispiel, dass es Musik seit der Neandertalerzeit gibt. Seit damals haben sich die Menschen zum Hören oder zum Spielen von Musik versammelt, mit verschiedenen Instrumenten, die verschiedene Töne gaben.

Musik ist ein Mittel um Menschen von alle Kontinenten zusammenzubringen. Musik ist eine Brücke und durch dieses Phänomen kann man die Kulturen von verschiedenen Rassen und Völkern kennenlernen. Jedes dieser Völker hat seine eigenen Instrumente, die verschiedene Rhythmen ergeben. Mit Musik kann man Texte komponieren und vieles sagen, ohne zu reden. Für viele von uns ist es sehr schwierig, Menschen, die uns etwas bedeuten zu sagen, wie sehr wir sie lieben oder wie viel ihre Freundschaft uns wert ist. Aber durch die Musik mit ihren Texten tun wir uns leichter dies zu vermitteln.

Die Musik kann dir in den verschiedenen Facetten deines Lebens helfen und durch seine Vielfältigkeit kann sie dich zum Weinen oder zum Lachen bringen, zum Nachdenken anregen oder Mut machen und auch zum Träumen bringen. Es ist eine Kunst, wenn eine wunderbare Melodie verbunden mit einem aussagestarken Text Gänsehaut bereitet oder ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Nach dieser kurzen Beschreibung über Musik und was sie für mich bedeutet, will ich euch etwas sagen. Während ich versucht habe das zu schreiben, habe ich verschiedene Musik von verschiedenen Ländern gehört. Zum Beispiel spanische Musik von der Dominikanischen Republik, welche sehr gut zum Tanzen geeignet ist, auf Grund ihrer tollen Rhythmen (Salsa, Merengue oder Bachata), von der wunderbaren Sängerin Césaria Evora aus Brasilien und auch Musik von meinem Lieblingssänger Max Raabe aus Deutschland. Mein Körper hat alles erlebt und gespürt was man bei diesen Liedern fühlen kann, wenn Musik gehört wird.

Das ist Lebenslust, Wehmut, Melancholie, Liebe, Schmerz und Hoffnung. Das sind die Gefühle die wir Tag für Tag erleben und die Musik kann mir helfen das zu lindern. Musik ist eine wohltuende Tat für meinen Körper und meine Seele und alles dreht sich um Musik... und das gefällt mir.


Kontakt:
Heike Urban
Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V.
Berliner Platz 8-10
48145 Münster
Tel.: (02 51) 49 09 96-86
E-Mail: schreibwettbewerb@alphabetisierung.de
Internet: www.alphabetisierung.de

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